Sven Minge: Interview zur Energiewende

Am 27. November 2019 traf Sven Minge die norwegische Wirtschaftszeitung Dagens Næringsliv zu einem ausführlichen Interview über die deutsche Energiewende. Der ungewöhnliche Ort des Gesprächs – das stillgelegte Kernkraftwerk Krümmel bei Geesthacht – war bewusst gewählt: Nirgendwo lässt sich der Wandel der deutschen Energiepolitik so anschaulich erleben wie dort, wo einst einer der leistungsstärksten Reaktoren Europas stand.

Unterstützt wurde das Gespräch redaktionell von Kai Gerullis, der durch seine journalistische Erfahrung half, die komplexen Themenbereiche von Energiepolitik, Strukturwandel und gesellschaftlicher Verantwortung für das internationale Publikum verständlich aufzubereiten.


Der Ort mit Symbolkraft

Das Kernkraftwerk Krümmel, seit 2011 endgültig abgeschaltet, steht wie kaum ein anderer Ort für die Konsequenzen der Energiewende. Hier begann eine neue Phase der deutschen Energiegeschichte – der Übergang von der atomaren zur regenerativen Energieversorgung. Zwischen Elbdeich und Kühlturm wurde über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Energieversorgung diskutiert.

Sven Minge erläuterte, warum der Atomausstieg nicht nur eine technische, sondern vor allem eine gesellschaftliche Entscheidung war:

„Die Energiewende ist ein Gemeinschaftsprojekt. Sie verlangt Verantwortung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zugleich – und sie verändert unser Denken über Energie grundlegend.“


Die Energiewende als gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Im Gespräch ging es um die zentralen Säulen der Energiewende – Erneuerbare Energien, Netzausbau, Energieeffizienz und Akzeptanz in der Bevölkerung. Deutschland habe, so Minge, frühzeitig begonnen, den Umbau der Stromversorgung systematisch anzugehen. Windkraft, Solarenergie und Biomasse bilden heute das Rückgrat einer zunehmend dezentralen Energieerzeugung.

Dabei wurde deutlich: Die Herausforderung liegt weniger in der Technik, sondern im Tempo der Umsetzung. Planungsverfahren, Fachkräftemangel und Akzeptanzfragen bremsen vielerorts den Fortschritt.

„Wir müssen die Energiewende nicht neu erfinden – wir müssen sie endlich konsequent umsetzen. Dafür braucht es klare Prozesse, verlässliche Investitionsbedingungen und Menschen, die mitgestalten wollen.“


Chancen und Herausforderungen für Regionen

Ein besonderes Augenmerk galt den kommunalen Auswirkungen der Energiewende. Der Wegfall großer Kraftwerke wie Krümmel hat nicht nur energiewirtschaftliche, sondern auch finanzielle und strukturelle Folgen für die Standortkommunen.

Minge betonte, dass neue Wertschöpfungsketten entstehen – etwa durch Wartung von Windparks, Netzmanagement oder neue Energiedienstleistungen. Zugleich müsse die Bevölkerung durch Transparenz und Beteiligung einbezogen werden:

„Akzeptanz entsteht, wenn die Menschen wissen, dass sie Teil der Lösung sind – nicht nur Zuschauer einer politischen Entscheidung.“


Rückbau und Sicherheit – ein Blick hinter die Kulissen

Vor Ort wurde auch der laufende Rückbau des Kernkraftwerks Krümmel thematisiert. Die Arbeiten, die sich über viele Jahre erstrecken, erfordern höchste Sicherheitsstandards, spezialisierte Fachkräfte und umfangreiche Genehmigungsverfahren. Der Standort bleibt damit ein aktiver Teil des deutschen Energiesystems – nicht mehr durch Stromproduktion, sondern durch Wissen, Verantwortung und Erfahrung.

Minge hob hervor, dass der sichere Rückbau alter Anlagen ebenso zur Glaubwürdigkeit der Energiewende gehört wie der Bau neuer Windräder oder Stromleitungen.


Internationale Perspektive – Energie im europäischen Kontext

Für die norwegischen Leserinnen und Leser von Dagens Næringsliv bot das Interview die Gelegenheit, die deutsche Energiewende aus nächster Nähe kennenzulernen. Während Norwegen mit seiner Wasserkraft als stabile Energiequelle und flexibler Partner in Europa gilt, verfolgt Deutschland mit Wind- und Solarenergie einen industriellen Pfad der Dekarbonisierung.

Die Verbindung beider Länder – über Stromhandel, Netzkopplung und Technologieaustausch – wurde als Beispiel europäischer Zusammenarbeit hervorgehoben. Nur durch gemeinsame Standards und offene Märkte könne eine klimaneutrale Zukunft gelingen.

„Energie ist längst kein nationales Thema mehr. Europa muss zeigen, dass Klimaschutz, Versorgungssicherheit und wirtschaftliche Stabilität kein Widerspruch sind.“


Redaktionelle Zusammenarbeit

Kai Gerullis unterstützte die Durchführung des Interviews organisatorisch und journalistisch. Er bereitete Hintergrundinformationen auf, begleitete die Pressetermine vor Ort und half bei der sprachlichen und fachlichen Abstimmung mit der Redaktion in Oslo. Dadurch entstand ein fundiertes, faktenbasiertes Gespräch, das die deutsche Energiewende nicht als Schlagwort, sondern als lernenden Prozess vermittelte.


Fazit: Das Interview am 27. November 2019 war weit mehr als ein journalistisches Gespräch – es war ein Moment des Reflektierens und Einordnens. Zwischen den Relikten vergangener Energiepolitik und den Visionen einer nachhaltigen Zukunft wurde deutlich, dass der Wandel längst begonnen hat – und dass er nur dann gelingen kann, wenn Technik, Gesellschaft und Politik gemeinsam handeln.

Krümmel bleibt somit ein Symbol: für das Ende einer Ära – und den Beginn einer neuen.