Seit gut einem Jahr bin ich mit einem vollelektrischen Fahrzeug unterwegs – dem Lexus RZ 450e. Dabei habe ich in dieser Zeit nicht nur viele Kilometer gesammelt, sondern auch zahlreiche Erfahrungen mit der öffentlichen Ladeinfrastruktur gemacht. Zeit also für ein persönliches Fazit darüber, wie es sich wirklich anfühlt, elektrisch in Norddeutschland unterwegs zu sein.
Alltagstauglich, aber mit Planung
Grundsätzlich lässt sich sagen: Laden ist längst alltagstauglich, sofern man ein gewisses Maß an Planung mitbringt. In Hamburg und den angrenzenden Kreisen (Herzogtum Lauenburg, Stormarn, Pinneberg) ist das Netz an Ladesäulen inzwischen recht dicht. Besonders entlang großer Verkehrsachsen wie der A1, A7 und B5 findet man Schnelllader nahezu flächendeckend.
Mittlerweile habe ich zu Hause eine eigene Wallbox installiert, was die Nutzung öffentlicher Ladesäulen deutlich reduziert hat. Das Laden über Nacht ist damit komfortabel, planbar und vor allem günstiger: Eine Kilowattstunde kostet mich zu Hause rund 30 Cent, also weniger als die Hälfte vieler öffentlicher Schnellladepreise.


Trotzdem nutze ich weiterhin öffentliche Säulen – etwa auf längeren Strecken, bei Terminen in der Stadt oder während Wochenendausflügen. Für alle, die keine Möglichkeit zum Heimladen haben, bleibt die öffentliche Infrastruktur essenziell: Viele Supermärkte, Parkhäuser und kommunale Anbieter stellen inzwischen AC-Ladepunkte mit 11 bis 22 kW bereit – oft kostenlos oder zu moderaten Preisen. Praktisch ist auch, dass sich viele Ladevorgänge bequem per App oder Ladekarte starten lassen.
Erfahrungen auf längeren Strecken
Auf längeren Fahrten – etwa Richtung Ostsee, Nordseeküste oder Niedersachsen – zeigt sich, dass Schnellladen (DC) heute kaum noch ein Problem ist. Anbieter wie EnBW, Ionity, Aral Pulse oder E.ON Drive haben die Hauptstrecken gut abgedeckt. Selbst an entlegeneren Orten, etwa auf Fehmarn, Sylt oder in Dithmarschen, sind inzwischen mehrere Schnelllader verfügbar.
Allerdings variiert die Zuverlässigkeit der Säulen noch stark. Gelegentlich sind einzelne Ladepunkte defekt oder belegt. Besonders an Wochenenden, wenn viele Elektrofahrer unterwegs sind, kommt es vor, dass man kurz warten muss. Eine App mit Echtzeitinformationen – etwa EnBW mobility+ oder Chargemap – ist deshalb unerlässlich.
Kosten und Abrechnung
Die Ladepreise schwanken je nach Anbieter teils deutlich. Während man an städtischen AC-Säulen oft für 0,39 bis 0,49 € pro kWh lädt, können Schnellladevorgänge bei großen Anbietern über 0,60 € pro kWh kosten.
Problematisch ist, dass die Preise vor Ort nicht immer klar ersichtlich sind. Manche Säulen zeigen gar keine Tarifinformationen an, und erst nach der Zustellung der Rechnung erfährt man, was tatsächlich berechnet wurde. Mir persönlich ist das einmal in Schwerin passiert – dort lag der Preis bei 1,00 € pro kWh, zusätzlich wurden Parkgebühren erhoben. Solche Überraschungen sind ärgerlich und untergraben das Vertrauen in ein eigentlich zukunftsweisendes System.

Hier braucht es dringend mehr Transparenz und eine verpflichtende Preisauszeichnung direkt an der Säule, ähnlich wie man es von klassischen Tankstellen kennt.
Zugangssysteme: Ein Dschungel aus Karten und Apps
Ein weiterer Punkt, der im Alltag für Verwirrung sorgt, ist die Vielzahl unterschiedlicher Zugangssysteme. Wer regelmäßig mit dem Elektroauto unterwegs ist, kennt das Problem: Jede Region, jeder Anbieter und teils sogar einzelne Ladeverbünde setzen auf eigene Apps, Ladekarten oder Registrierungen.
Inzwischen habe ich – wie vermutlich die meisten E-Mobilitätsfahrer – rund 15 verschiedene Ladekarten und Apps auf dem Smartphone. Das reicht von großen Anbietern wie EnBW, Maingau, Shell Recharge oder Plugsurfing bis hin zu lokalen Stadtwerken. Manche Ladesäulen lassen sich nur über bestimmte Anbieter freischalten, andere verlangen spontane App-Registrierungen oder Kreditkartenzahlung vor Ort.
Das ist nicht besonders benutzerfreundlich und widerspricht dem Gedanken einer unkomplizierten, flächendeckenden Elektromobilität. Zwar arbeiten einige Anbieter an Roaming-Lösungen oder einheitlichen Zugangssystemen, doch bis heute gibt es keine wirklich standardisierte Lösung, die deutschlandweit problemlos funktioniert. Gerade für Gelegenheitsnutzer oder Reisende bleibt das ein echter Stolperstein.
Blick nach Skandinavien
Nach meiner Wahrnehmung sind Länder wie Dänemark oder Norwegen in Sachen Ladeinfrastruktur deutlich besser aufgestellt. Dort ist das Netz enger, die Zugänge sind einheitlicher, und an nahezu jeder Tankstelle, jedem Supermarkt oder Parkplatz finden sich Schnelllader.
Besonders positiv fällt auf, dass in Skandinavien Preise klar angezeigt und Zahlungen unkompliziert per Kreditkarte oder App ohne Registrierung möglich sind. Das macht das elektrische Fahren spürbar einfacher – auch für Touristen, die spontan unterwegs sind. Deutschland hat hier in den letzten Jahren aufgeholt, bleibt aber im Vergleich noch ein gutes Stück hinterher, was Standardisierung und Benutzerfreundlichkeit betrifft.
Mein persönliches Fazit
Die Ladeinfrastruktur in Norddeutschland hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Von Hamburg über die Ostseeküste bis in den ländlichen Raum ist das Laden heute komfortabel, planbar und zuverlässig möglich. Perfekt ist das System aber noch nicht – insbesondere die Zugangssysteme, Preisgestaltung und Transparenz sind weiterhin Schwachpunkte. Mit der eigenen Wallbox zu Hause, wo ich für rund 30 Cent pro kWh lade, ist das elektrische Fahren für mich mittlerweile besonders bequem geworden. Ich lade meist über Nacht, nutze unterwegs Schnelllader nur noch gezielt – und habe damit den für mich idealen Mix aus Flexibilität, Komfort und Wirtschaftlichkeit gefunden. Für mich steht fest: Die Elektromobilität ist nicht mehr Zukunft – sie ist Gegenwart.

