Begegnung mit „Kaba“ aus Westafrika

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Das Gespräch mit Kaba am Bahnhof Bergedorf entstand aus einer Situation heraus, die zunächst angespannt war, sich letztlich jedoch als eindrückliches Beispiel für Zivilcourage, Dialogbereitschaft und gegenseitigen Respekt erwies.

Auslöser war die Belästigung eines jungen Mädchens durch einen sichtbar alkoholisierten Mann. Da beide offenbar aus demselben Herkunftskontext stammten, wandte ich mich bewusst an einen unbeteiligten Landsmann in der Nähe und bat ihn um Unterstützung, um die Situation zu schlichten, bevor sie eskalierte. Dieser Mann war Kaba. Er reagierte ruhig, entschlossen und deeskalierend, sprach seinen Landsmann klar an und machte deutlich, dass ein solches Verhalten nicht akzeptabel ist. Besonders erfreulich war dabei sein spürbarer Einfluss auf den alkoholisierten Mann. Die Situation beruhigte sich schnell – ruhig, bestimmt und ohne weitere Eskalation. Dieses Verhalten war vorbildlich.

Im Anschluss kamen wir miteinander ins Gespräch. Dabei fiel sofort auf, wie sicher und differenziert Kaba Deutsch spricht. Er lebt seit rund vier Jahren in Deutschland und stammt aus Guinea in Westafrika. Sein Weg nach Europa führte ihn zunächst über Griechenland in die Europäische Union, später verbrachte er mehrere Jahre in Österreich, bevor er schließlich nach Deutschland kam. Wie so oft bei Fluchtbiografien waren es weniger bewusste Zielentscheidungen als vielmehr äußere Umstände, Fluchtrouten, Gelegenheiten und rechtliche Rahmenbedingungen, die seinen Weg bestimmten.

Kaba berichtete offen über seine Erfahrungen in Europa, über bürokratische Hürden, unterschiedliche gesellschaftliche Mentalitäten und die Herausforderungen des Ankommens. Besonders betonte er die Bedeutung von Respekt, Regeln und einem friedlichen Miteinander. Gerade deshalb habe er sich in der Situation am Bahnhof verantwortlich gefühlt einzugreifen. Fehlverhalten Einzelner schade nicht nur den unmittelbar Betroffenen, sondern wirke sich auch negativ auf das Bild all jener aus, die sich bemühen, sich korrekt zu verhalten und ihren Platz in der Gesellschaft zu finden.

Im weiteren Gespräch sprachen wir auch über Frankreich und die Frage, warum er dort nie eine Zukunft für sich gesehen habe, obwohl Guinea eine ehemalige französische Kolonie ist. Kaba vertrat hierzu eine klare Haltung. Aus seiner Sicht habe Frankreich Guinea während der Kolonialzeit vor allem ausgebeutet und wirtschaftlich geschwächt. Diese historische Erfahrung wirke bis heute nach. Zwar bestünden weiterhin enge politische und wirtschaftliche Beziehungen zwischen Frankreich und Guinea, doch empfinde er diese aus seiner Perspektive überwiegend als einseitig. Die Vorteile lägen vor allem auf französischer Seite, während sich die Lebensbedingungen vieler Menschen in Guinea kaum verbessert hätten.

Kaba sagte, dass vielen Menschen inzwischen „durch das Internet die Augen geöffnet worden seien“. Informationen, die früher kaum zugänglich waren, würden heute geteilt, diskutiert und hinterfragt – auch in Guinea und in der Diaspora. Dadurch habe sich bei vielen ein kritischer Blick auf historische Zusammenhänge, wirtschaftliche Abhängigkeiten und politische Interessen entwickelt.

Das Gespräch war geprägt von gegenseitiger Offenheit und Respekt. Es machte deutlich, dass Integration nicht abstrakt stattfindet, sondern im Alltag – in konkreten Situationen, durch persönliches Handeln und durch die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Kaba verkörperte dies in diesem Moment sehr eindrucksvoll: durch Besonnenheit, Haltung und den klaren Wunsch, Teil dieser Gesellschaft zu sein.

Wir verabschiedeten uns schließlich mit einem freundlichen Händedruck. Für mich bleibt dieses Gespräch als positives und zugleich nachdenklich stimmendes Beispiel dafür, wie wichtig der direkte Austausch ist. Jenseits von Schlagzeilen, Vorurteilen und pauschalen Debatten zeigt sich im persönlichen Kontakt oft ein sehr viel differenzierteres Bild.

Sicherlich war dieses Gespräch nur eine Momentaufnahme. Doch gerade solche kurzen Begegnungen haben das Potenzial, Denkmuster zu hinterfragen und den Blick für Differenzierungen zu schärfen.

Fazit: Die Begegnung mit Kaba am Bahnhof Bergedorf zeigt, wie viel Aussagekraft in kurzen, zufälligen Momenten liegen kann. Sie macht deutlich, dass Integration, Verantwortung und gesellschaftlicher Zusammenhalt nicht in abstrakten Debatten entstehen, sondern im konkreten Handeln Einzelner. Zivilcourage, Dialogbereitschaft und gegenseitiger Respekt sind keine Frage von Herkunft, sondern von Haltung. Solche Begegnungen ersetzen keine strukturellen Lösungen – sie erinnern jedoch daran, wie wichtig Differenzierung, persönlicher Austausch und ein nüchterner Blick jenseits von Pauschalisierungen sind.

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